FELDENKRAIS MINIMAL

Minimalismus. Der Trend aus Japan beschreibt die Kunst des Sich-verabschiedens von Besitz. „Das kann doch weg!“ lautet das Credo von Fumio Sasaki, derzeit angesagtester Minimalist. Für Sasaki ist ein „ein Minimalist (ist) …Jemand, der weiß, was für ihn wirklich essentiell ist. Jemand der sich von Besitz zu Gunsten der Dinge trennt, die ihm wirklich etwas bedeuten.“

Feldenkrais ist von jeher minimal. Für Feldenkrais brauchst du keine Matten,  keine Geräte, kein edgy Outfit. Es genügen eine Decke, ein Handtuch, ein Sitz in der Tram, ein Platz am See. Über dir eine Herde von Schäfchenwolken, ein grünes Blatt, eine Neonröhre. Du schließt die Augen und das Abenteuer beginnt…

KLEINER REIZ, GROSSE WIRKUNG

Feldenkrais kannst du überall und zu jeder Zeit machen. Wie im Minimalismus setzt Feldenkrais auf kleine Reize. „Schon die kleinste Bewegung in einem Teil des Körpers beeinflusst den ganzen Körper.“, erläutert Norman Doidge, Psychiater und Psychoanalytiker an der Columbia University, New York und der University of Toronto, in seinem Bestseller: „Wie das Gehirn heilt“. „Bei einer Person, die zu effektiven, eleganten und wirkungsvollen Bewegungen in der Lage ist, organisiert sich der Körper „als Ganzes“ selbst, um die Bewegung zu vollführen – sei sie auch noch so klein.“, so Doidge.

Weniger ist mehr. Eine einzige aufmerksame Bewegung genügt. Und du siehst dich mit anderen Augen. Du kommst dir größer, kleiner, kompakter, lebendiger vor. Fühlst dich mit einem Mal verbunden. Ganz.

Wie im Konzept des Minimalismus geht es in der Feldenkrais – Methode darum sich gut zu fühlen. Sich selbst kennen zu lernen, bei sich zu bleiben. Minimalisten und Feldenkrais Enthusiasten vergleichen sich nicht. Sie fragen nicht: Hat mein Nachbar das größere Haus, das schnellere Auto, das jugendlichere Aussehen, die teuerere Handtasche, die volleren Haare ? Erfasst der Andere in der Feldenkrais Gruppe die Idee der Bewegung schneller, macht er sie besser, schöner, eleganter ? In jeder Feldenkrais Lektion lernst du unnötige Muskelanspannungen, blockierende Gedanken, veraltete Konzepte und Körperbilder zu hinterfragen. Fühlt sich das gut an? Oder kann das weg? Und gibt es eine andere Möglichkeit?

NUR EINES

Minimalisten leben den Traum vom Einfachen. Wäre es nicht befreiend nur einen einzigen traumhaft schönen Mantel zu besitzen? Nur ein einziges edles Paar Schuhe aus Hirschleder? Einen einzigen Stift? … einen einzigen schimmernden Topf aus Kupfer? Eine einzige Schale? Das Konzept des Einen, der Reduktion entlastet nicht nur das Gehirn in seinen täglichen Entscheidungsprozessen, Stichwort „decision fatigue“, sondern es ist auch ein tägliches Training in Achtsamkeit und Wertschätzung.

In meinen Seminaren erlebe ich immer wieder Teilnehmer, die eine Bewegungsabfolge mechanistisch, in immer den gleichen Rhythmen, mit Anstrengung wiederholen. So arbeitet eine Maschine. Wenn es um Lernen und um Potentialentwicklung geht, darf man sich von so einer Vorgehensweise nicht viel versprechen. Das Gehirn langweilt sich. Schaltet ab. Ganz anders, wenn wir uns jeder noch so simplen Bewegung mit Würde nähern. Sie in ihrer Einzigartigkeit wahrnehmen. Sie pflegen und berühren, wie unser einziges Paar Schuhe. Alles was wir mit Liebe berühren erfrischt. Macht wach.

HERAUSFORDERUNGEN – MEINE KARTONS UND ICH

Minimalisten lieben Herausforderungen. „Feldenkrais Trainees“ ebenso. Werden wir konkret. Minimalisten veranstalten ab und an sogenannte „Packing Parties“. Sie tun so, als ob sie am nächsten Tag umzögen. Also packen sie innerhalb eines Tages ihr gesamtes Hab und Gut in Umzugskartons. Über die Möbel werden weiße Tücher gelegt. Packing Parties sind rauschende Feste! Am Besten mit Freunden, Vivaldi, Schokomousse und Champagner.

Die Kisten sind gepackt. Die Möbel verhüllt. Das Abenteuer beginnt. Jetzt wird wieder ausgepackt. Bewusstheit kommt ins Spiel. Achtsamkeit für die Bedürfnisse des Moments.

Es ist Abend. Der Minimalist will schlafen gehen. Und fragt sich: brauche ich meinen Pyjama wirklich? Welchen liebe ich am meisten?

Er befreit sein Bett von der weißen Verkleidung und sieht es neu. Fragt sich bewusst: brauche ich das Bett wirklich oder gibt es eine andere Möglichkeit?  So entwickelt sich ein Prozess. Essentielles wird von Überflüssigem getrennt. Tag für Tag. Manche Parties dauern 30 Tage, andere zwei Wochen. Alles was am Ende des Prozesses noch in den Kisten schläft, kann weg. Wird gespendet, verschenkt, verkauft, entsorgt. Und das Abenteuer beginnt von Neuem. Minimalisten können radikal sein.

Jedes meiner Seminare, jede Einzelstunde, jeder Workshop ist eine  herausfordernde „Packing Party“ für das Gehirn. Mit jeder Bewegung haben Sie die Möglichkeit langsam und bewusst zu entscheiden, was Sie auspacken wollen. Und wie Sie es auspacken wollen.

Wie wollen Sie den Prozess der Bewegung gestalten? So wie immer oder gibt es eine andere Möglichkeit? Können Sie etwas weglassen? Dürfen Sie es sich leichter machen? Fühlt sich die Bewegung dann nicht nur anders, sondern auch besser an? Verschwinden auf diese Art und Weise möglicherweise unnötige Anspannungen, Schmerzen, Ängste? Sie reduzieren Anstrengung, überlegen genau, hinterfragen achtsam, spüren feine Unterschiede, treffen Entscheidungen. Wollen Sie diese Bewegung oder eine andere Bewegung auspacken? Dieses Konzept oder ein anderes Konzept des Denkens anwenden?

Eine Bewegung auf das Notwendige, Essentielle zu reduzieren ist eine große Kunst. Ein großes Fest.

LEICHT REISEN

Von Moshé Feldenkrais gibt es folgende Geschichte. zu einem Workshop im Süden der USA,  es war Sommer, reiste er mit leichtem Gepäck an. Ein Hemd, eine Hose. Jeden Abend wurde das Hemd gewaschen, morgens war alles wieder frisch. Ich weiß nicht, ob es sein Lieblingshemd war. Sicher ist, dass er auf seinen anderen großen Reisen (seine Auswanderung von Weissrussland nach Palästina als Jugendlicher – Reisegepäck: eine Pistole und etwas Geld, seine Flucht vor den Nationalsozialisten von Frankreich nach England – Reisegepäck: eine Tasche mit Geheimdokumenten für die britische Regierung ) mit minimalem Gepäck reiste.

Wie wäre es, wenn Sie zu meinem nächsten Seminar mit leichtem Gepäck anreisten? Eine hübsche kleine Tasche, ein Notizbuch, ein Stift, Blumen für mich. Wie würden Sie sich dann fühlen?

Die Auseinandersetzung mit materiellem Besitz hilft uns zu erkennen, dass wir auch unseren Körper nicht besitzen. Du besitzt deinen Körper nicht,  du kannst ihn bewusst wahrnehmen. Ihm mit Würde und Respekt begegnen.  Ihn lieben. Ganz einfach. Ganz minimal.

 

Ich lebe mein Leben in wachsenden Ringen,
die sich über die Dinge ziehn.
Ich werde den letzten vielleicht nicht vollbringen,
aber versuchen will ich ihn.

Ich kreise um Gott, um den uralten Turm,
und ich kreise jahrtausendelang;
und ich weiß noch nicht: bin ich ein Falke, ein Sturm
oder ein großer Gesang. – Rainer Maria Rilke

 

 


Buckard Christian: Moshé Feldenkrais – Der Mensch hinter der Methode, 2015
Doidge Norman: Wie das Gehirn heilt – neueste Erkenntnisse aus der Neurowissenschaft, 2015
Sasaki Fumio: Das kann doch weg! – Das befreiende Gefühl, mit weniger zu leben, 2018

FELDENKRAIS BEGEISTERT


Das Lebensglück ist wie ein Vogel, den du liebst.
Du nährst ihn mit den Körnern deines Herzens und tränkst ihn mit dem Licht deiner Augen. – Kahlil Gibran


Enthusiasmus, Begeisterung, jeder kennt das gute Gefühl. Den Kick, die Euphorie, das Hochgefühl, wenn wir für eine Sache brennen. „Die Fähigkeit sich zu begeistern ist angeboren“, sagt Gerald Hüther, Neurobiologe Universität Göttingen.

Die Fähigkeit sich in Hochstimmung bringen zu lassen gehört sozusagen zur Grundausstattung des Menschen. Was, wenn diese Anlage sich nicht voll entwickeln kann? Oder wenn im Auf und Ab unseres Lebens die Begeisterungsfähigkeit  immer mehr abnimmt? Dann fühlt man sich leicht als Opfer, klagt, ist enttäuscht, entmutigt, fühlt sich hilflos, alles ist grau in grau. Der Lebensmut sinkt, Vitalität und Kraft auch, weiß Anat Baniel, Feldenkraistrainerin und Psychologin aus den USA.

BEGEISTERUNG BEGINNT IM GEHIRN

Wir brauchen ein Gehirn, dass das Neue erfinden und auf das Alte vertrauen kann, erläutert Baniel in „move into life“ ihrem neuesten Buch.  Ohne Begeisterung fehlt uns ein Werkzeug, das unserem „Routine Gehirn“ erlaubt, die bekannten, ausgetretenen Wege zu verlassen um Neues zu wagen.

Dazu meint Gerald Hüther, dass es im Zustand des Begeistert-Seins im Mittelhirn zur Aktivierung des Belohnungszentrums kommt. So stellt sich die Bereitschaft zur Höchstleistung ein. Begeisterung ist also die neurobiologische Voraussetzung für Erfolg.

BEGEISTERUNG KANN MAN LERNEN – SO TRAINIEREN SIE IHREN BEGEISTERUNGSMUSKEL

Enthusiasmus braucht nicht unbedingt einen äußeren Auslöser. Das Hochgefühl stellt sich auch ohne den Kick von außen ein. Begeisterung ist ein Gefühl, das wir aus uns selbst heraus willentlich entwickeln können. Eine Fähigkeit, die wir trainieren können. Trainieren wie einen Muskel, der stärker, robuster und leistungsfähiger wird, je mehr wir ihn benutzen. So werden wir unabhängiger. Wir kreieren einen evolutionären Vorteil. Wir werden unabhängig von Pferdewetten, Autorennen, teuren Handtaschen, Computerspielen und anderen extremen Reizen.

UND SO GEHT ES: DER BEGEISTERUNGSMUSKEL-TRAININGSPLAN

AUFWÄRMEN
Nehmen Sie sich eine Stunde Zeit. Akzeptieren Sie die Tatsache, dass man Begeisterung unabhängig von äußeren Reizen entwickeln kann. Begeisterung ist lernbar. Bereiten Sie Ihr Gehirn darauf vor.

AUSWÄHLEN
Wählen Sie drei Ereignisse aus für die sie sich mehr begeistern wollen. Fangen Sie mit kleinen Dingen an: Ein erfrischender Spaziergang bei Regen, ein Konzertbesuch mit einem Freund, ein warmes Croissant im Bahnhof.

WAHRNEHMEN
Fühlen Sie, wie Sie diesen Aktionen mehr Begeisterung entgegenbringen. Welche Empfindungen nehmen Sie dabei wahr? Geben Sie den Gefühlen Namen.

AUFMERKSAMKEIT ERHÖHEN
Schenken Sie den ausgewählten Aktionen Ihre ganze Aufmerksamkeit. Brechen Sie die Aktionen auf kleinere Einheiten herunter, je kleiner umso besser. Schenken Sie jeder kleinen Sequenz Ihre volle Aufmerksamkeit. Was passiert dann? Was nehmen Sie wahr? Sobald wir einer Sache mehr aufmeksameti schenken, wird sie stärker wahr genommen. Aufmerksamkeit wirkt wie ein Vergrößerungsglas.  Sie verstärkt die Wahrnehmung auch für Details und erhöht die Wertschätzung. Dadurch wird das Vergnügen größer, das wir aus einer alltäglichen kleinen Aktion ziehen.

Begeisterung lernen heißt dem Tun mehr Aufmerksamkeit zu schenken, auf den Prozess zu achten, kleine Schritte zu wagen und nicht primär zielorientiert zu handeln.


„Sieh zu, dass du dem Tun mehr Aufmerksamkeit gibst, gib ihm deine ganze Aufmerksamkeit. Was immer der Moment bringt, gib ihm deine ganze Aufmerksamkeit. Dafür musst du auch vollkommen akzeptieren was ist, denn du kannst nicht deine volle Aufmerksamkeit auf etwas richten und dich ihm zugleich entgegenstellen.“ – Eckart Tolle


FELDENKRAIS TRAINIERT IHRE BEGEISTERUNGSFÄHIGKEIT

In jeder Feldenkraisstunde trainieren Sie auch Ihren Begeisterungsmuskel: Sie lernen prozessorientiert, in kleinen Schritten, trainieren Ihre Wahrnehmung, Ihre Aufmerksamkeit, lenken Ihren Fokus auf Freude statt Frust, definieren Fehler als willkommene Variation, sind ganz da, kommen an.

WENN DER MUSKEL STARK IST

Wenn Sie dran bleiben und sich Ihre Begeisterungsfähigkeit entwickelt, stärker wird, werden Sie sich verändern. Sie beginnen zu strahlen und die Welt um Sie herum auf geheimnisvolle Weise auch.

Die Fähigkeit sich zu begeistern ist am Anfang des Lebens ein Geschenk, später eine Kunst, die wir entwickeln können. Begeisterung bedarf einer Entscheidung. Denn wir haben immer die Wahl uns für Begeisterung zu entscheiden. Jeden Moment. Von Augenblick, zu Augenblick.

FERIEN WORKSHOP SYLT – REVIEW

5 Tage an der See, 21 Stunden Feldenkrais, ein charmantes Seminarhaus am Meer. …und das ist passiert: Gleich am ersten Abend wird klar. Kopfheben in Rückenlage ist gar nicht so leicht. Gefühle von Ärger, Ungeduld und Frustration. Eigentlich will man genießen. Tag 5 sieht das ganz anders aus. Alle! ohne Ausnahme können den Kopf in Rückenlage mühelos heben und das richtig hoch. Jetzt ist man überrascht und stolz, freut sich! Zwischen Tag 1 und Tag 5 ist viel passiert. Meine Teilnehmer haben einen der wichtigsten Grundsätze der Feldenkrais Methode lebendig erfahren dürfen. Weniger ist mehr. Je geringer die Anstrengung und je größer die Aufmerksamkeit, desto besser das Ergebnis. Die Sylter Gruppe hat gelernt jeden einzelnen Wirbel der Wirbelsäule zu  benutzen, besonders die Wirbel der Brustwirbelsäule und die der Lendenwirbelsäule. Sie haben damit experimentiert das Brustbein zu senken. Erfolgreich ihr Becken zu mobilisieren. Auszuatmen. Die Anstrengung zu reduzieren. Und wenn alle relevanten Elemente in einem Moment zusammen spielen, dann hebt sich der Kopf wie von selbst. Magisch.
In den Trainingspausen gab es viel Raum für gemeinsame spontane Aktivitäten: für Strandwanderungen, Radtouren, Sonnenuntergang gucken, Strandkorb sitzen, Butterkuchen essen, Weltnachrichten verfolgen. Wind in allen Variationen, Sonne, Regenschauer, Schweinswale im und Vogelschwärme auf dem Wasser, Strandrosen, Lupinen, tellergroße Mohnblumen, Weltmeisterkür der Kitesurfer. Es war schön!

Schön, dass ihr mit dabei wart. Und für alle, die eigentlich auch mitkommen wollten, bei denen es aber dieses Jahr nicht geklappt hat. Wir machen weiter! Auch 2018 ist „Feldenkrais“ wieder unterwegs… wohin? Lasst euch überraschen.

Es grüßt das Team von Sylt,
Hella, Meret + Amber

 

GESEHEN bei Nebel, zwei Meter vom Strand entfernt einen Schweinswal. Oben schwarz unten weiß tauchte der etwa zwei Meter lange kleine Tümmler immer wieder auf, um Luft zu holen. Um dann unglaublich elegant und schön mit der Nase voran wieder in das jadegrüne Nordseewasser einzutauchen. Kaum zu glauben, zum Greifen nah, still und berührend. Fotografieren lassen wollte sich der Zahnwal nicht, sobald ich die Kamera auf ihn gerichtet hielt, ist er abgetaucht, genau wie meine Teilnehmer auf Sylt.

GEFREUT über die Neugierde meiner Teilnehmer, ihre Hingabe und Bereitschaft Neues unermüdlich auszuprobieren. Zu sehen, wie Lernen in Bewegung und Achtsamkeit, Wahrnehmung, Verhalten und Kommunikation in kürzester Zeit verändern kann. Wunderbar waren auch die langen Spaziergänge am Wassersaum, die Lichtstimmungen, Wolkenformationen, die weiche Luft und der Duft der Sylter Rosen bei Regen.

GEHÖRT die Spielweise einer Nachtigall, das wilde Geschrei unzähliger Möwen auch bei Nacht (wann schlafen die eigentlich?), das Gleichmaß des Windes in allen Modulationen, das Lied der Brandung bei Ebbe und Flut.

WILLKOMMEN…

cropped-hn.jpg…AUF MEINER NEUEN WEBSEITE! Neu ist mein Blog. Hier kann ich alle meine Impulse, Inspirationen, neueste wissenschaftliche Erkenntnisse,  meine Fotografien, Audios und Videos spontan mit Ihnen teilen. Hier ist auch viel Raum für Ihre Kommentare, Wünsche und Beiträge. Ich freue mich von Ihnen zu hören!

Ihre
Hella Neubert

 

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